In meinem letzten Blogbeitrag zeigte ich anhand meiner Rote-Faden-Checkliste auf, worauf du beim Schreiben eines Essays oder einer grösseren schriftlichen Arbeit achten solltest, damit dein Text einen roten Faden hat. Doch woher stammt dieser Ausdruck? Wer hat ihn erfunden? Nein, nicht Ricola. Ich nenne vier Stichwörter: Schicksalsgöttinnen, Goethe, Seefahrer, Ariadne. Was sie mit dem roten Faden verbindet, erfährst du jetzt.
Die Inhalte dieses Blogartikels:
Die Mythologie und der rote Faden
Beginnen wir doch mit den drei Schicksalsgöttinnen, die in der römischen, griechischen und nordischen Mythologie vorkommen. Sie spinnen den Schicksalsfaden. Die eine spinnt den Lebensfaden, die andere entscheidet über das Lebensgeschick und letztere durchtrennt den Lebensfaden. Das ist der rote Faden, der das menschliche Leben symbolisiert.
Der rote Faden in der Literatur
Dieser Faden war auch Johann Wolfgang von Goethe bekannt. In seinem Werk »Die Wahlverwandtschaften» (2. Teil, 2. Kapitel, 1809) schreibt Deutschlands Dichterfürst, ehe er aus dem Tagebuch von Ottilie, einer der vier in Liebesbande verstrickten Hauptfiguren, zitiert: »Wir hören von einer besondern Einrichtung bei der englischen Marine. Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte, vom stärksten bis zum schwächsten, sind dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten Stücke kenntlich sind, dass sie der Krone gehören.»
Ebenso zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden der Neigung und Anhänglichkeit, der alles verbindet und das Ganze bezeichnet.
Der rote Faden und die Seefahrer
In der englischen Seefahrt wurde der rote Faden in die Taue und Seile eingearbeitet, damit bei einem Diebstahl sofort ersichtlich war, wem die Taue gehörten (z. B. dem König).
Ariadne und der (rote) Faden
Mit Ariadne, die wir aus der griechischen Mythologie kennen, schliesse ich die Suche nach der Herkunft des Ausdrucks »roter Faden» ab.
Die Tochter von Minos, König der Insel Kreta, verliebte sich in Theseus. Der Sohn von Aigeus, Königs von Athen, stellte sich freiwillig als Opfergabe für den Minotaurus zur Verfügung. Sein Ziel war es, den Minotaurus zu töten, um den wiederkehrenden Opfergaben ein Ende zu setzen.
Ariadne wollte ihm dabei helfen. Der Minotaurus war in einem Labyrinth eingesperrt und niemandem gelang es, da wieder herauszufinden. Damit Theseus sich nicht verirren konnte, gab ihm Ariadne einen Faden mit. Mit dem Schwert, das sie ihm ebenfalls mitgegeben hatte, erschlug Theseus den Minotaurus und kehrte dank des Fadens auf direktem Weg aus dem Labyrinth zurück.
Der Faden symbolisiert also eine Spur, ein Weg oder eine Richtlinie. Im aufgerollten Zustand symbolisiert er die Raum-Dimension, im abgerollten Zustand die lineare. Es ist nicht zu empfehlen, davon abzuweichen. Deshalb meine Aufforderung: Verliere bloss nie den Faden, sonst verirrst du dich noch.
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