«Schweizerdeutsch hat keine Grammatik. Deshalb kann ich es nicht lernen.» Warum das nicht stimmt:
Welche Sprache sprechen die Arbeitskolleg*innen untereinander? Wie kommunizieren die Schweizer*innen per WhatsApp? Wie sprechen die Vereinskolleg*innen? In der Schweiz: ganz klar Schweizerdeutsch. Aus diesem Grund sind Deutschlernende häufig verwirrt, wenn sie aus der ersten Deutschstunde kommen und Deutsche sind frustriert, wenn sie die Bewohner des Nachbarlandes mehr schlecht als recht verstehen.
Inhalte in diesem Blogartikel:
1. Schweizerdeutsch – Sprache oder Dialekt?
2. Züritüütsch oder Züridütsch?
2.1. Schreibregeln für Züritüütsch-Lernende
4. Wie lernt man am besten Schweizerdeutsch?
Schweizerdeutsch – Sprache oder Dialekt?
Wenn Fremdsprachige in der Schweiz Deutsch lernen, sind sie spätestens in der zweiten Woche verwirrt. Im Deutschkurs lernen sie zwar auch die Begrüssungen (Grüezi, Hoi) und Verabschiedungen (Adie, Tschau), die hierzulande gebräuchlich sind, der Rest ist dann aber nur noch sehr schwer zu verstehen.
Die ersten Fragen, die mir dann gestellt werden, betrifft die gesprochene Sprache. Wie reden denn die Schweizer untereinander? Wie reden sie in der Schule, bei der Arbeit? Ist es höflicher, Standarddeutsch zu sprechen? Oder gar vornehmer?
Die zweite Frage betrifft die geschriebene Sprache. Wie schreiben denn die Schweizer? Wann schreiben sie schweizerdeutsch? Und vor allem wie??
Das die Sprache in der Schweiz Verwirrung stiften kann, finde ich absolut nachvollziehbar. Die vier Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Deutsch, nicht Schweizerdeutsch. In der Schule wird während des Unterrichts Standarddeutsch gesprochen, an öffentlichen Anlässen meistens auch und die Korrespondenz mit Ämtern, Behörden, Versicherungen usw. wird ebenfalls auf Deutsch geschrieben.
Der Grund dafür ist, dass Schweizerdeutsch ein Dialekt ist. Sämtliche deutsche Dialekte der Schweiz gehören dazu. Als Amtssprache kann es deshalb nicht zählen. Diese Ansammlung von alemannischen Dialekten unterscheiden sich sehr stark voneinander. Eine Kantonsgrenze kennt der Mundart nicht. Im Gegenteil: Ein Dorf weiter kann die Aussprache bereits anders sein oder einzelne Begriffe werden anders benannt. Die Tendenz ist aber ein «Dialäktgmisch». Das bedeutet, dass sich der Dialekt verschiedener Regionen mit der Zeit vermischt und die Eigenheiten der individuellen Dialekte abgeschwächt wird.
Wenn ich Zürichdeutsch unterrichte, mache ich häufig auf Ausdrücke aufmerksam, die veraltet sind, jedoch von der älteren Generation oder auf dem Land dennoch benutzt werden. Ein Dialekt verändert sich so schnell, dass es nicht ganz einfach ist, ein Lehrmittel mit aktuellem Wortschatz bereit zu halten. Aus diesem Grund lautet ein häufiger Tipp von mir: Spielt Detektiv und hört den Nachbarn, den Arbeitskolleg*innen, den Pendlern zu. Wie sprechen sie? Welchen Wortschatz benutzen sie?
Es gibt keine Stelle, kein Amt, keine Akademie, die das Zürichdeutsch normierte. (...) Die einzige Norm, die bei einem Dialekt zählt, ist der Sprachgebrauch der Mehrheit. Viktor Schobinger